36 Jahre ohne Feierabend

36 Jahre ohne Feierabend

Manche brauchen zwei Nächte, um sich vom Feiern zu erholen. In Neukölln stand eine Kneipe, die brauchte 36 Jahre, um überhaupt mal Pause zu machen: das Schlawinchen. Von 1983 bis 2019 war die kleine Bar geöffnet – durchgehend, ohne einen einzigen Ruhetag. Kein Feierabend, keine Sperrstunde, kein „so Leute, jetzt bitte nach Hause“. Es war, als hätte jemand den Pausenknopf des Lebens gedrückt – und vergessen, ihn wieder loszulassen. 13.000 Nächte am Stück, und jede davon eine eigene kleine Geschichte.

Wer das Schlawinchen betrat, landete in einer anderen Welt. Es sah aus wie ein Wohnzimmer, in dem man nie aufgeräumt hatte. An der Decke hingen Spielzeuge, als hätte jemand die Kindheit auf die falsche Seite geklebt. Die Wände waren tapeziert mit Plakaten, die schon vergilbt waren, bevor die Stammgäste grau wurden. Dazwischen Fotos, Schilder, Erinnerungsstücke. Es war kein Konzept, sondern ein Sediment der Zeit – alles blieb hängen, nichts verschwand. Wer neu reinkam, brauchte Minuten, um das Chaos zu sortieren. Und irgendwann gab er auf und bestellte einfach Bier.

An der Theke saß selten das, was man erwartete. Professoren, die eigentlich längst ins Bett hätten gehen sollen, kritzelten Formeln auf Bierdeckel und verloren sie im Aschenbecher. Studenten versuchten, eine Nacht in Korn zu verwandeln. Künstler erklärten die Welt – und wenn die Erklärung nicht reichte, half noch n Bier. Der Barkeeper sah aus, als sei er mit dem Tresen verheiratet, und jeder, der länger blieb, verstand: Er war der  Chronist. Und dazwischen: Touristen, die dachten, sie hätten einen Geheimtipp gefunden, bis sie merkten – geheim war hier höchstens, wann man wieder ins Bett kommt.

Das Publikum wechselte, aber die Logik blieb gleich: Wer hier war, wollte noch nicht nach Hause. Man wollte noch ein Gespräch, noch ein Lied, noch einen Grund, wach zu bleiben. Und genau darin lag die Magie: es war ein Ort für alle, die das Schlafzimmer noch ein bisschen aufschieben wollten. Ein Wohnzimmer, in dem die Tür fehlte.

Doch so sehr man den Schlaf verdrängen wollte – die Körper erzählten eine andere Geschichte. Irgendwann wurden die Augen schwer, die Schultern sanken, die Köpfe kippten. Manchmal nickte jemand direkt am Tresen weg – Sekunden-Mikroschlaf, so unspektakulär wie unbestechlich. Die Natur warf ein Kärtchen auf den Tisch: „Ihr könnt mich nicht austricksen.“ Der Barkeeper wischte währenddessen den Tresen, als wüsste er: Gegen Staub kann man gewinnen, gegen Müdigkeit nicht.

Die Wissenschaft würde es nüchterner formulieren: Schon nach einer Nacht ohne Schlaf sinkt deine Konzentration so stark, dass du kaum noch weißt, was du bestellt hast. Nach zwei Tagen verändert sich deine Stimmung, nach drei beginnst du zu halluzinieren. Und wer dauerhaft zu wenig schläft, bezahlt dafür mit Gesundheit, Herz und Hirn. Das Schlawinchen war also im Grunde ein 36 Jahre dauerndes Experiment gegen die Biologie – ein charmantes, verrücktes, legendäres, aber eben keines, das man wirklich gewinnen konnte.

Und dann kam er doch immer, der Morgen. Du stolperst hinaus, die Luft ist plötzlich zu ehrlich, das Licht zu direkt. Die erste Straßenbahn rumpelt durch die Stadt, die Bäcker schicken den Duft von frischem Brot auf die Straßen. Und du siehst dein Gesicht im Schaufenster und denkst: Werbung für Matratzen war noch nie so ungeschönt. Müde, verknittert, aber mit diesem tiefen Bedürfnis nach einem Kissen. Genau da, draußen vor der Tür, spürst du: Schlaf ist kein Luxus, sondern Rettung.

Das Schlawinchen war ein Denkmal fürs Dauerwachsein. Es zeigte, wie weit man sich treiben lassen kann, wenn man Gemeinschaft, Geschichten und Chaos sucht. Aber es zeigte auch das Gegenteil: dass wir Menschen ohne Schlaf nicht funktionieren. Wir brauchen Dunkelheit, Ruhe, eine Matratze, die trägt, ein Bett, das nachgibt, wenn wir loslassen. Und genau da liegt die Pointe: Berlin konnte feiern. Aber Paderborn kann schlafen.

Während im Schlawinchen noch der letzte Witz erzählt wurde, bauen wir die Betten, in denen du den nächsten Morgen überstehst. Handgefertigte Boxspringbetten, so gedacht, dass sie das tun, was kein Barhocker kann: dich wirklich tragen. Keine Neonlichter, keine Daueröffnung, nur das Versprechen, dass du morgen wieder aufstehst – erholt, ausgeschlafen, vielleicht sogar mit Lust auf eine neue Geschichte.

Und vielleicht ist das die schönste Wahrheit nach 36 Jahren Dauer-Nacht: Jede gute Story endet nicht am Tresen, sondern im Bett.

Story & Illustrationen: Kambach (exklusiv für Boxspringbettenshop)